Dieser Satz sollte uns 5 Tage lang begleiten wie ein Mantra. 5 kurze Tage, die wir im Heiligen Land verbracht haben. Viel zu kurz für all die jahrtausendelange Geschichte, die unzähligen Geschichten des Alten Testaments, auf deren reellen Schauplätzen wir uns befunden haben, die religiösen Befindlichkeiten und Energien, die überall zu sehen und zu spüren sind, die Verwicklungen zwischen Religion, Land und Vergeltung…aber vor allem auch viel zu kurz für wunderschöne atemberaubende Landschaften, unglaublich freundliche und offene Menschen, leckeres Essen und einem Klima, das den deutschen Winter sofort vergessen lässt.

Tel Aviv – the city that never stops…die Strandpromenade empfängt uns am Sonntag, einem Werktag, mit quirligem Leben. Spaziergänger, Jogger, Bodybuilder, Touristen…alle suchen die Sonne und das Meer und genießen einen Kaffee am Strand. Hier scheint sich, wie in den zahllosen Cafes, das wirkliche Leben abzuspielen. Auch Jaffa, einst trauriger Vorort von Tel-Aviv, heute lebendige Künstlerkolonie, lädt zum Verweilen ein. Zu gerne wären wir nach dem Besuch des Ilana Goor Museums, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist, noch durch die kleinen verwinkelten Gässchen geschlendert und hätten uns treiben lassen. Doch stattdessen geht es weiter zum Carmel Markt. Halva, Tahini, israelisches Craftbeer, Hummus, Falafel, Fettgebackenes und frittiertes Ei in der Pita…wir schlemmen uns durch die unterschiedlichsten Geschmäcker, Gerüche, Geräusche und sind Teil des pulsierenden Marktlebens.

Eine Reise nach Israel ruft beim Gesprächspartner normalerweise eine von zwei Reaktionen hervor. „Wie schön, da wollte ich auch schon immer einmal hinreisen!“ oder „Was? Da kannst Du doch nicht hinfahren, das ist doch viel zu gefährlich!“. Und ja, man macht sich vorab durchaus Gedanken. Schon die Immigration am Flughafen ist aber erstaunlich einfach, das hat man genau so und schlimmer in den USA auch schon erlebt. Auch am Hotel keine Gepäckkontrolle, wie ich es aus anderen Ländern des Mittleren und Nahen Ostens kenne. Und auch die kommenden Tage ist eigentlich kein Militär oder Polizei zu sehen. Man fühlt sich wie in jeder anderen Urlaubsstadt auch – normal, sicher…

Ich bin gespannt, ob sich das vielleicht mit Erreichen von Jerusalem, der goldenen Stadt, ändern wird. Aber nein. Das Straßenbild ändert sich zwar: alle Gebäude sind aus dem gleichen Kalkstein gebaut und vermitteln so ein ruhigeres, schöneres Straßenbild – aber von Militärpräsenz keine Spur. Sah man in Tel Aviv vereinzelt Männer mit Kippa, nimmt die Zahl hier rasant zu. Dazu kommen die orthodoxen Juden, die Rabbiner, die griechisch-orthodoxen Priester, die Muslime, die armenischen Christen…man fühlt sich in der Zeit zurückversetzt. Und man erlebt Geschichte im Schnelldurchgang. Unser Guide tut ihr Bestes, um uns in ein paar Tagen die Geschichte mehrerer tausend Jahre näher zu bringen. Wir springen zwischen Kanaanitern, Griechen, Israeliten, Römern, Byzantinern, Moslems, Kreuzrittern, Mameluken, Ottomanen, den Briten und wieder zurück. Ca. 8.000 Jahren Geschichte und Geschichten. Zerstörung und Wiederaufbau in stetem Wechsel, Eroberung und Aufgabe, Krieg und Frieden…der Blick auf Klagemauer, Felsendom und die Mosche Al Aqusa Mosche auf dem von Moslems kontrollierten und somit nicht zugänglichen Tempelberg verursachen Gänsehaut. Und ja, es ist kompliziert! Und doch, schlendert man dann durch die Altstadt, die in Vier geteilt ist, spürt man schnell, dass Christen, Moslems, Juden und Armenier hier friedlich miteinander auskommen. Ein Ladenbesitzer bringt es auf den Punkt: „Not the people are the problem – the politicans are“.

Auch der nächste Tag wird intensiv. Die Fahrt führt uns durch Geröllwüste, Beduinengebiet, nach Massada, eine Festung von König Herodes auf einem Felsplateau. Auch hier Geschichte pur – letzte Festung in der jüdischen Revolte gegen die Römer, die 73 a.c. nach langer Belagerung fiel. Danach der obligatorische Schwimmbesuch am Toten Meer. Und dann als unvergessliche Erfahrung eine Jeepsafari in die Wüste. Wer dachte, dass Geröllwüste langweilig sei, hat sich geirrt. Märchenhafte Steinformationen im Abendlicht bezaubern uns, die rasante professionelle Fahrweise unseres Guides bringt Achterbahnfeeling und viel Spaß, das unglaubliche Wissen dieser „Wüstenmänner“ beindruckt und macht demütig…und am wichtigsten: auch hier sieht man, dass die Unterscheidung in „Jude oder Araber“ bei diesen Menschen keine Bedeutung hat. Es zählt der Mensch.

Am letzten Abend erreichen uns besorgte Nachrichten der Daheimgebliebenen. Raketenbeschuss in Eilat, Attacke eines Palästinensers in Tel Aviv…das macht betroffen. Nachdenklich. Traurig. Wütend. Und trotzdem: dieses Land mit seiner langen Geschichte, seiner reichen Kultur, seinen unglaublichen Menschen ist unbedingt eine Reise wert. Ich werde wiederkommen – und dann mit Sicherheit länger als nur 5 Tage.

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sgeis